»Geldspenden an uns, Körperspenden können sie drinnen abgeben«
Peter Subway & Co verkürzen mit Entertainmentprogramm die Wartezeit
»Wir sind die permanenten Wartezeitverkürzer vor den Körperwelten …« rufe
ich schon etwas heiser in die Menschenmassen.
»Die Wartezeit beträgt jetzt schon 8 Stunden!« sagt mir leise mein Musikerkollege am
Kontrabass – Fassungslosigkeit …
»Ja, die stehen jetzt schon bis unter der Brücke in der nächsten Seitenstrasse hinter
dem Berliner Ostbahnhof« – »8 Stunden – das ist lang – wie kann man nur?«
»Ja, wir spielen auch schon seit fast 3 Stunden, laß uns eine Pause machen sonst hab ich gleich
wieder Blasen an den Fingern.«
Ich frage ein paar der Wartenden vor uns, die allesamt aus Dresden mit einem Reisebus gekommen sind, ob
sie jetzt vorhaben, die Wartezeit durchzustehen.
»Ja natürlich wir fahren doch jetzt nicht zurück. Und wir Ostdeutschen haben da sowieso
eine andere Warteschlangenkultur.« Aber nicht nur die…
Als wir im Sommer 2000 einen Abstecher nach Köln machten um in den Biergärten mit Straßenmusik
die Leute zu unterhalten, klagte eine Dame, dass sie mehrere Stunden vor einer Ausstellung anstand um
hinein zu gelangen. »Da hättet Ihr mal spielen sollen …«
»Ja die Körperwelten – da stehen die Leute stundenlang. Und würden sich bestimmt
über etwas Abwechslung freuen!«
Es war ohnehin heute kein Biergartenwetter – das mußten wir ausprobieren …
Was ist das für eine Ausstellung? Was gibt’s da denn zu sehen, dass die Leute sich freiwillig
so lange anstellen.
Ich wußte nichts über die Ausstellung die überall kontrovers diskutiert wurde, denn ich
hatte mich die vergangenen 20 Monate auf anderen Kontinenten aufgehalten .
Wir fingen an zu spielen und kamen bei unserem Zufallspublikum sehr gut an.
Als wir am selben Abend, von der Ausstellungsleitung eingeladen die Ausstellung anzusehen, die Exponate
betrachteten, dachten wir, die seien alle aus Plastik oder Gummi. Die Echtheit der Plastinate war uns
Ahnungslosen absolut nicht bewusst gewesen.
Bis irgendeine Person in der Ausstellungshalle neben uns laut meinte »… und das ist alles
echt!«
Erst jetzt wurde mir bewusst, warum hier so ein Andrang herrschte und was mir entgangen war – »Die
Faszination des Echten«
Seit jener Zeit verfolge ich die Körperweltenausstellung im Internet und
ab und zu auch live, um den Menschen davor mit unserer Musik die Wartezeit zu verkürzen.
Wie letztes Jahr in London, wo eine nackte Frauenrechtlerin sich auf das »Pferdeplastinat«
setzte, um gegen die quantitative Dominanz männlicher Plastinate zu demonstrieren oder dieses Jahr
in München, wo bis kurz vor Ausstellungsbeginn nicht klar war, ob die Ausstellung überhaupt
stattfindet. Ich freute mich um so mehr, als ich dann hörte, die Ausstellung öffnet seine Pforten
im Olympiapark. Dass man den Münchnern allerdings so ein beeindruckendes Exponat wie das Pferdeplastinat
vorenthalten musste finde ich schade.
Uns, die »permanenten Wartezeitverkürzer«, gibt es dennoch immer wieder und zwar
unzensiert!
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